Virtuelle Republik

von Tobias Peter

Sie haben genug von der Politik und ihren Versprechungen? Sie sind - wie sagt man doch gleich - „politikverdrossen"? In Parteien und Gewerkschaften mögen sie sich nicht engagieren?

Kein Problem: Gründen Sie doch einfach eine Republik und machen Sie Ihre eigene Politik... Georg Zoche, 33, hat's getan.

Der Münchner Diplom-Ingenieur hat gemeinsam mit Freunden die „Erste Transnationale Republik" ins Leben gerufen, der mittlerweile genauso viele Bürger angehören wie dem Vatikanstaat, Der neue Staat hat ein virtuelles Einwohnermeldeamt im Internet, Pässe und sogar selbst gedruckte Geldscheine. Aber wozu das Ganze?

Den herkömmlichen Nationalstaat halten die Republikgründer für nicht mehr zeitgemäß. Die eigentliche Macht, glauben sie, liegt längst bei globalen Konzernen wie Microsoft oder McDonald's. „Es gibt aber bislang keine wirkungsvolle globale Vertretung der Bürgerinteressen des Einzelnen", heißt es im feierlichen Manifest, das zur Begründung der Republik verabschiedet wurde. Die Idee: Wenn Unternehmen sich jenseits nationaler Grenzen weltweit organisieren können, dann können Bürger das auch.

Die Vision dabei ist, dass überall auf der Welt Menschen immer neue transnationale Republiken gründen und sich auf diese Weise Inder, Araber, Europäer und Amerikaner - unabhängig von der Hautfarbe - miteinander solidarisieren. Entscheidend für die Zugehörigkeit zu einem Staat wäre dann nicht mehr der Ort, wo man geboren ist (oder die Staatsangehörgkeit der Eltern), sondern geteilte Werte, gemeinsame Überzeugungen oder - einmal pathetisch gesprochen - einfach Freundschaft. Die Staatsmacht soll sich dann vor allem als Dienstleister für die Bürger verstehen.

Seine Überzeugung lässt der Republikgründer sich einiges an Zeit und Mühe kosten; Zoche und seine Mannen halten Vorträge, reisen zu Kongressen und veranstalten Podiumsdiskussionen zu gesellschaftlichen Themen wie Entwicklungshilfe und Krieg. Ein neuer Staat scheint demnach eine Menge Arbeit mit sich zu bringen. Man sollte es vielleicht doch noch einmal mit dem alten versuchen...

Kölner Stadtanzeiger
December 29th, 2001