Beruf: Politisch sein

von Wolfgang Farkas

Das Problem: Du bist politikverdrossen. Die Grünen haben ihre Ideale verraten, die SPD ist die neue CDU, und die CDU macht keine vernünftige Opposition.

Die Lösung: Gründe ein Paralleluniversum und mach deine eigenen Politik.

Der Staat hat es nicht leicht. Manche mögen ihn nicht. Und viele wissen nicht einmal, wer oder was das genau sein soll. Bin ich es? Bist du es? Sind es Polizeihubschrauber, rote Ampeln, alles zusammen? Der Münchner Georg Zoche hält den deutschen Staat jedenfalls für überholt. Längst, so glaubt er, liege die Macht bei globalen Konzernen wie Coca Cola oder Microsoft. Die Bürger hätten dem kaum etwas entgegenzusetzen. Da helfe auch kein Schröder, kein Stoiber, kein Gysi. Anarchisten würden deshalb den Staat am liebsten ganz abschaffen und dann erst mal eine rauchen. Georg Zoche aber - und das macht ihn zum Held dieser Geschichte - hat sich für einen anderen Weg entschieden. Mit Freunden gründete er im April 2001 in München eine eigene Republik, die Transnationale Republik, inklusive selbst gedruckter Geldscheine, neuer Pässe und dem wunderbaren Gefühl, die Welt zu verändern. Aber wie? Zoche, 33, hauptberuflich DJ und nebenbei Ingenieur, will über persönliche Kontakte und Internet eine Art weltweites Freundschaftsnetz knüpfen, das die Interessen aller Beteiligten bündelt, nach dem Motto: Was die Multis können, können wir auch. Dahinter steckt die Utopie, dass es einmal viele Transnationale Republiken geben wird, die jeder Mensch, unabhängig von seinem Wohnort, frei wählen kann. Dienstleistungen, Waren und Informationen können ausgetauscht werden; Proteststimmen werden vervielfacht. Der Staat ist dann so etwas wie ein Service Provider für die Bürger, und die definieren sich nicht mehr über nationale Grenzen, sondern über ein gemeinsames Lebensgefühl. Das kann sich ausdrücken beim Ausgehen im Münchner Atomic Cafe, einem Club, den die Transnationalen zu ihrer Botschaft erkoren haben. Oder bei politischen Aktionen. So lud die neue Republik im September Vertreter verschiedener Religionen zum Diskutieren ein. Statt Krieg forderten sie eine diplomatische Lösung.

jetzt
#50/2001
December 10th, 2001