Der Nationalstaat ist nicht mehr zeitgemäß

Wie werden Konsumenten wieder Bürger? Die „Transnationale Republik" gibt die Antwort

von Rüdiger Suchsland

Was macht einen Staat eigentlich zum Staat? Außer einer Bevölkerung natürlich ein Staatsgebiet - so lautet die traditionelle Antwort. Ob es auch anders geht, wird sich jetzt herausstellen. Denn bei der „Transnationalen Republik", die am Montag gegründet wurde, handelt es sich um einen bewussten Gegenentwurf zu üblichen Staatsvorstellungen, ein einfallsreiches. durchaus ernst und politisch gemeintes Projekt - aber zugleich eine freche Provokation des Gegebenen.

„Wir wollen eine Antwort auf die Globalisierung geben " erklärt Georg Zoche, einer der Initiatoren. So einfach wie verständlich ist die Überlegung, die den Anstoß gab: „Die Nationalstaaten verlieren immer mehr an Bedeutung. Stattdessen gewinnen übernationale Institutionen an Macht." Gemeint sind damit sowohl weltweite Konzerne, Organisationen wie UNO oder die EU, aber auch „NGO's" wie Greenpeace. „Man vergleiche einmal eine Firma wie 'Coca Cola', die in fast allen Ländern der Welt vertreten ist mit einem Staat wie Bangladesch. Coca Cola hat mehr Kapital, und natürlich auch mehr Macht. Wer aber vertritt solchen Organisationen gegenüber auch die Bürgerrechte global?"

Jetzt zogen Zoche und seine Mitstreiter die Konsequenz. Im „Atomic Cafe" gründeten sie die „Erste Transnationale Republik". Und weil es sich um einen richtigen Staat handelt, wurden Passe an alle Interessenten ausgegeben. „Wir haben keine Probleme mit der doppelten Staatsangehörigkeit" meinte Zoche. Mehrere hundert haben sich schon registrieren lassen. Hinter dieser Pass-Idee steckt auch ein humanes Anliegen: „Jeder bisher Staatenlose kann bei uns Pässe beantragen." Wäre er dann noch staatenlos?

Die zweite Grundlage auch dieses Staates ist das Geld. Dazu hat die Gruppe mit sehr viel Mühe eine eigene Währung gedruckt, die „Payolas", die garantiert in andere Währungen umtauschbar und relativ fälschungssicher sind. „Transnational" heißt die Republik, nicht „International", weil „wir Grenzen überwinden wollen, nicht zwischen Nationen vermitteln. " Hinter all dem steckt vor allem der urliberale Gedanke, denen eine Stimme zu geben, die ihre Interessen nicht in Lobbys oder Parteien organisieren. „Die „einflussreichste Organisation Deutschlands ist der ADAC, dabei sind viel mehr Menschen darin nicht Mitglied - nur sind sie nicht organisiert" argumentieren die Transnationalen.

Manchen wird es schwer fallen, in dem Projekt mehr zu sehen, als eine künstlerische Performance, ein ironisch grundiertes Nachfragen nach der Natur des Staates. Doch wer das sechsseitige „Manifest der Transnationalen Republik" liest, wird schnell erkennen, dass sich unter der fröhlichen Oberfläche auch einige philosophische und juristische Substanz verbirgt. „Hier liegt die Zukunft" sagt Zoche und ist überzeugt, dass der alte Nationalstaat ausgedient hat. „Aber die Idee kosmopolitischen Zusammenlebens ist alt".

Münchner Merkur
April 18th, 2001